Es ist ein wenig wie beim alten Kinderspiel "Bäumchen wechsel dich": Fühlt sich ein Bundesligaverein mit seinem Cheftrainer nicht mehr recht wohl und wünscht sich eine bessere Betreuung, wechselt er gerne mal eben den Coach aus. Ob von Schwarz zu Dárdai in Berlin, von Labbadia zu Hoeneß in Stuttgart oder von Nagelsmann zu Tuchel in München – immer ist die Hoffnung groß, der "Neue" möge es schon richten. Und das, obwohl die Wissenschaft bislang keine eindeutigen Hinweise bringen konnte, dass Trainerwechsel überhaupt etwas bringen.
Bisherige Studien mit uneinheitlichem Ergebnis
"Ungefähr die Hälfte der existierenden Studien zu dem Thema belegen einen positiven Effekt durch einen Trainerwechsel innerhalb einer Saison, aber die andere Hälfte eben nicht", sagt Sebastian Zart, Sportwissenschaftler an der TU Kaiserslautern. So unterschiedlich die Ergebnisse, so unterschiedlich waren auch die Ansätze der bisherigen Studien. "Manche haben die erzielten Punkte genommen, um die Leistung einer Mannschaft zu bewerten, andere die Tordifferenz, wieder andere die geschossenen Tore", erklärt Sebastian Zart.
Analyse dreier europäischer Fußballligen
Gemeinsam mit dem Sportwissenschaftler Arne Güllich machte sich Zart deshalb daran, mit einer gründlichen Methodik das Rätsel um den Trainerwechsel endgültig zu lösen. Insgesamt analysierten die Wissenschaftler knapp 4.000 Spiele und 150 Trainerwechsel in der deutschen Fußball-Bundesliga, der spanischen Primera División und der britischen Premier League und gewichteten die untersuchten Partien anhand der aktuellen Gegnerstärke innerhalb einer Saison.
"Wir haben immer versucht, die aktuellen Duelle eines Spieltags zu betrachten, sprich: spielte der Erstplatzierte gegen den Achtzehnten oder spielte der Elfte gegen den Zwölften." Denn nach einem Trainerwechsel sei es natürlich entscheidend, ob ein Team gut einsteige oder nicht - und die Wahrscheinlichkeit eines Sieges sei je nach Gegner eben ziemlich unterschiedlich, so Sebastian Zart.
Trainerwechsel helfen der Mannschaft
Bei aller komplexen Methodik sind die Ergebnisse der Sportwissenschaftler aus Kaiserslautern eindeutig. Sie konnten zeigen, dass der Wechsel des Cheftrainers in allen untersuchten Ligen gleichermaßen zu einem spontanen Leistungsanstieg von einem Spiel auf das nächste führten. Aber nicht nur das. Die Forscher konnten neben dem kurzfristigen Effekt auch nachweisen, dass es auch mittel- bis langfristig etwas bringt, auf einen neuen Trainer zu setzen. "Der positive Einfluss war bis zu 16 Spieltage nach dem Trainerwechsel gegeben", sagt Sebastian Zart.
Leistung lohnt sich wieder
Die Gründe für eine bessere Fußballleistung unter neuer Trainerleitung sehen die Wissenschaftler vor allem darin, dass Leistung unterdrückende Faktoren, die der Vorgängertrainer auslöste, möglicherweise wegfallen, sich also Leistung einfach wieder lohnt: "Vielleicht sind kleine Grüppchen in der Mannschaft unzufrieden, etwa aufgrund ihrer Rolle im Team, und geben deshalb nicht mehr hundert Prozent, sondern verlieren möglicherweise auch einmal den entscheidenden Zweikampf. Oder sie spielen - im schlimmsten Fall - auch aktiv gegen den Trainer", sagt Sebastian Zart. Dann sei der Trainer natürlich ein entscheidender (Stör-)Faktor. Falle der weg, spielten alle befreit auf und hätten möglicherweise auch wieder die Chance, sich zu präsentieren und wieder in die Mannschaft zu kommen.
Trainer brauchen Zeit
Trotz der positiven Effekte des Trainerwechsels empfehlen die Sportwissenschaftler der TU Kaiserslautern den Vereinen eher einen langen Atem, sollten sie einen Coach austauschen. "Ein Trainer braucht Zeit, sich einzuleben, etwas aufzubauen und die Spieler zu stärken", erklärt Sebastian Zart. Das könne nicht innerhalb weniger Spiele passieren. Entsprechend überrascht sei er gewesen, als Julian Nagelsmann bei Bayern München ersetzt wurde, denn der Verein sei in allen Wettbewerben noch vertreten gewesen. "Sie standen ganz gut da, vielleicht in der Eigenwahrnehmung nicht mit dem Punktvorsprung, den man sich erhofft hatte und nicht mit der Performance von einzelnen Spielen. Aber dennoch erschien alles mehr oder weniger im grünen Bereich."
Vielleicht, meint der Sportwissenschaftler, werde bei den Fußballvereinen hin und wieder auch zu früh die Reißleine gezogen.
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